Zeitzeuge Frank Fritsch berichtet zum 40jährigen Jubiläum der ökumenischen Friedensdekade aus seinen friedensbewegten Anfängen in der DDR und seinen Aktivitäten an unserer Schule.
Als die ökumenische Friedensdekade 1980 auch in der DDR ins Leben gerufen wurde warst Du als junger aktiver Christ schon automatisch in einer besonderen Situation.Wie gestalteten sich die Anfänge der ökumenischen Friedensdekade für Dich.
Über die Junge Gemeinde der Stadt Weimar habe ich Kontakt zur Gruppen bekommen, die sich dieses Friedensthemas angenommen haben. Mich hat das Thema von Anfang an interessiert, weshalb ich es über die vielen Jahre getragen habe. Für mich ist es nach wie vor ein Phänomen, dass junge Leute über Jahrzehnte immer wieder miteinander über dieses Thema sprechen. Dass es in der ehemaligen DDR aufgegriffen worden ist, hat sicher damit zu tun, dass man darüber sicher auch ein ganz neues Feld der Opposition entdeckt hat.
Umgesetzt wurde es dann zügig im Zusammenhang mit der Friedensdekade über Friedensgebete, Friedensgottesdienste oder Friedenskerzen, die getreu dem biblischen Motto „Schwerter zu Pflugscharen“ ohne Einsatz von Waffen und Gewalt die Obrigkeit wehrlos gemacht haben.
In den Kirchen gab es neben der Friedensdekade schon länger eine Entwicklung, bei welcher sich Gedanken gemacht wurde über Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung. Es gab im Rahmen dieses konziliaren Prozesses Tagungen in verschiedenen Städten, wie Dresden, ich selbst war in Magdeburg mit dabei und habe persönlich viel Kraft daraus geschöpft.
Die „kleine weiße Friedenstaube“ spielte als internationales Symbol der Friedensbewegung ja auch im politischen System der DDR eine wichtige Rolle. Warum war es seitens der Kirchen dann notwendig hier einen neuen Fokus zu setzen und das Thema noch einmal anders aufzugreifen?
Man wollte hier einen Gegenpol setzen zum staatlichen verordneten Friedensgedanken. Frieden und Abrüstung sollten überall und in allen Bereichen umgesetzt werden und nicht nur in einem Lager. Das Thema sollte den Menschen in einem ganz breiten Spektrum aufgezeigt und öffentlich gemacht werden.
Das Problem war dabei der „Schwerter zu Pflugscharen“ Aufnäher, den man getragen hat, um damit auch eine gewisse Opposition zu signalisieren. Für uns als Jugendliche war es schon wichtig, ganz deutlich zu zeigen, dass es um mehr ging als nur die „kleine weiße Friedenstaube“. Wir wollten Gerechtigkeit und Frieden für die Gesamtgesellschaft auf Grundlage unseres christlichen Glaubens.
Wie reagierte das System, also die Obrigkeit der DDR auf die Aktivitäten?
Als wir mit den Zeichen auf den Jeansjacken in der Schule erschienen sind hat das natürlich den Direktor auf den Plan gerufen, der unbedingt wollte, das wir genau diesen Zeichen wieder ablösen. Das gab dann auch sehr unschöne Szenen in den Städten dieses Landes, wo Jugendliche aufgefordert wurden, diese Aufnäher von ihren Jeansjacken zu entfernen. Gerade bei den Jeansjacken der DDR hatte das jedoch den Erfolg, dass nach öfteren Waschen der Auswaschenungseffekt etwas höher war und somit blieb ein blauer Fleck auf der Jacke. So war das auch bei mir, und selbst nachdem ich den Aufnäher abmachen musste, wusste aufgrund des blauen Flecks jeder, dass ich dort das „Schwerter zu Pflugscharen“ Zeichen getragen habe.
Was diese Aktivitäten der Jugendlichen angeht, ist interessanterweise dann auch die Staatssicherheit sehr aktiv geworden. In meiner Akte konnte ich dann später lesen, dass hier angenommen wurde, ich würde in pazifistischen Verbindungen stehen und Friedensgruppen aufbauen. Dabei war ich während meiner Ausbildung in Röblingen am See immer mal wieder beim zuständigen Pfarrer, wo wir Gebete abgehalten, aber auch einfach über Gott und die Welt geredet haben. Im Nachgang ist dann deutlich geworden, dass mir da Friedensaktivitäten nachgesagt worden, wo ich jetzt nicht böse darum bin, es gibt da sicher unangenehmere Dinge. Ich finde es jedoch spannend, wie ein System 15-, 16-, 17-jährige Jugendliche anschaut, wie friedensbewegt die sind.
Während meiner Magdeburger Zeit, als ich dann Abitur gemacht habe, habe ich mit Freunden zusammen über Ormig Drucker verschiedene Texte, u.a. von Reiner Kunze „Die wunderbaren Jahre“, kopiert und in der Stadt verteilt. Ich denke, wenn ich hier auf die vor mir liegenden Originalblätter schaue, dass der Jugendliche Frank schon etwas bewegen wollte. Interessant ist jedoch dabei, was man gerade in den staatlichen Stellen für einen Nachhall hinterlassen hat und dass das dann tatsächlich in den Stasiakten auftaucht, wo man als Jugendlicher natürlich nicht mit gerechnet hat.
Seit vielen Jahren begleitest Du die ökumenische Friedensdekade auch an der Edith-Stein-Schule. Welche Bedeutung hat die Friedensdekade heute für Dich selbst und wie nehmen die Schüler die Angebote wahr?
Als ich vor knapp 20 Jahren hier an die Schule gekommen bin hatte ich schon die Idee, meine Spiritualität auch in dieser christlichen Schule auszuleben. Sehr bald habe ich dann den Gedanken der Friedensdekade aus den 1980er Jahren auch mit hierher getragen und angefangen in diesem Zusammenhang Friedensgebete zu organisieren, die als ökumenische Gebete immer zehn Tage vor dem Buß- und Bettag stattfinden. Mit den dazugehörigen Materialien habe ich dann recht bald mit Schülern gemeinsam hier in der Oase oder auch in anderen Räumlichkeiten diese Friedensdekade abgehalten.
Tatsächlich wird das sehr unterschiedlich wahrgenommen. Für mich ist es wichtig, mit meinen friedensbewegten Gedanken präsent zu sein und diese Gebete auch anzubieten. Ich merke aber auch, dass es in den letzten Jahren immer weniger wird. Vielleicht kommt es aber auch nicht immer auf die Masse an, die hier zusammen sitzt, sondern auch auf die zwei, drei Jugendlichen, die diese Gedanken mit aufnehmen und sich selbst Gedanken machen und etwas vorbereiten, was immer wieder passiert. Es ist manchmal auch einfach wichtig, Flagge zu zeigen, weshalb ich es gut finde, dass wir in den letzten Jahren das Thema immer wieder durchgetragen haben, ohne auf die Teilnehmerzahlen zu schauen.
Ich bin froh, wenn jemand da ist, aber wenn niemand kommt, dann bete ich auch allein.
Das Interview führte Joachim Schindler am 5. November 2020. Hier abgedruckt ist eine leicht gekürzte Version. Das Interview steht als Audiodatei in voller Länge zum Anhören zur Verfügung.
Als Alternative zum Oasenbesuch, der aufgrund der diesjährigen Situation nicht stattfinden kann, empfiehlt Frank Fritsch, sich immer mal wieder mit dem Text „Herr mach mich zum Werkzeug Deines Friedens“ (Schulplaner S.132) auseinanderzusetzen. Das Gebet wird inhaltlich immer wieder mit Franz von Assisi in Verbindung gebracht, stammt jedoch höchstwahrscheinlich aus dem 1. Weltkrieg und passt damit auch zu den Anliegen der Friedensdekade.
Weiterführende Informationen zur Geschichte der ökumenischen Friedensdekade sowie textliche Impulse finden sich in der Informationsbroschüre und auf der Homepage der Veranstalter