ESS war wieder Herbstlesefest
Nunmehr zum fünften Mal konnten wir uns darüber freuen, einen Autor für unser Herbstlesefest der ESS gewinnen zu können, der sein Buch neben der Abendveranstaltung auch für unsere Schüler/innen der 11. Und 12. Klassen vorstellte. Artur Weigandt wurde 1994 in Uspenka in Kasachstan geboren. Eine Siedlung, hundert Kilometer nordöstlich von Pawlodar, die 1909 gegründet wurde. Es entstanden dort deutsche Kolonien Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts, in den 1940er Jahren wurde die Region durch deportierte Deutsche bereichert. Die Region wird zu einem Ort verschiedenster Dialekte, Akzente und konfessioneller Zugehörigkeiten. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion Anfang der 90er Jahre trat eine langanhaltende Krise ein, die auch vor Uspenka nicht Halt machte. Uspenka verwaiste und viele verließen in dieser Zeit ihre Heimat und immigrierten unter anderem in die BRD. Auch seine Familie verließ 1995 Uspenka. Er wuchs in Deutschland auf, studierte nach dem Abitur Ästhetik in Frankfurt/Main und besuchte die Journalistenschule in München. Seine Heimat hat Artur Weigandt nie vergessen und so erzählt sein Buch „Die Verräter“ die Geschichte seines Heimatdorfes Uspenka, den Untergang der Sowjetunion und blickt auf jene, die ihre eigenen Wurzeln verraten haben.
Doch wen meint Artur Weigandt, wenn er von „Verrätern“ spricht? In einem Interview mit der DAZ heißt es: „Es geht um diejenigen, die ihre eigenen Wurzeln verraten haben, was explizit und überall verraten wird: die Geschichte, die Kultur, die Identität ganzer Völker. Weißrussen, Russen, Deutsche, Ukrainer, Georgier, Mongolen, Kasachen und andere ethnische Gruppen mussten sich völlig an die
UdSSR anpassen, ihre Vergangenheit vergessen, teilweise sogar ihre Sprache. Ich denke, dass der Verrat in der sowjetischen und postsowjetischen Geschichte allgegenwärtig ist. Dies ist meine Meinung.“
Das letzte Mal war Artur Weigandt vor 12 Jahren in seiner Heimat Uspenka. Sein journalistischer Heimatroman basiert auf seinen ganz eigenen Erinnerungen an ein unscheinbares Dorf und die Menschen, die dort wohnten und so bekommt Uspenka vor allem eine Realität zugeschrieben; seine eigene erlebte Realität von damals. Es zeigt auf, wie beängstigend Heimat sein kann, erst recht, wenn ein
Krieg ausbricht.
Ein Schüler der 11.Klasse fragte ihn, wo er sich in den nächsten Jahren sehe. Er hoffe, dann wieder von Frieden in seiner alten Heimat, die er als eine seiner vielen Identitäten bewahrt, berichten zu können.
Friederike Scholz